Leserbrief zum Sport- und Spielplatzgeschäft in Schneidhain
Von unserem Mitglied Dr. Richard Grimm, Schneidhain


Bei der Billigung des sogenannten "Nullsummenspiels" (Investor kauft Sportplatz Schneidhain und baut Supermarkt-Gebäude, Stadt baut vom Grundstückserlös neuen Sportplatz für die SG Blau Weiß Schneidhain) hat die Stadtverordnetenversammlung die Hessische Gemeindeordnung (HGO) nicht beachtet.

Wunsch nach Supermarkt weckte Begehrlichkeit der Fußballer

Anlass für diesen Plan ist der Wunsch nach einen Supermarkt, in dem unter anderem auch diejenigen Schneidhainer Bürger einkaufen können, die kein Auto haben. Dieses Vorhaben könnte man auf einem Teil des derzeitigen Sportplatzes verwirklichen. Der Sportverein Blau Weiß Schneidhain möchte aber bei dieser Gelegenheit zu einen neuen Sportplatz kommen, der unter anderem mit einem Kunstrasen und einem größeren Vereinshaus ausgestattet ist. Für dieses Projekt müsste (von der Stadt, so meint er) ein bisher unbebautes Gelände gekauft, erschlossen und bebaut werden. Wegen der dann erheblich höheren Kosten müsste die Stadt nicht nur den für den Supermarkt benötigten Teil des jetzigen Sportplatzes an einen Investor verkaufen, sondern den gesamten Platz und dazu noch die Rollschuhbahn und den Kinderspielplatz. Damit genügend Geld einkommt, müsste der Investor außer dem Marktgebäude auch Wohnhäuser errichten, in denen (was denn sonst!) "junge Familien günstig wohnen können". Dass der Investor für billigen Wohnraum das Grundstück umsonst haben will oder aber den Kaufpreis durch teure Häuser wieder hereinholen muss, wird verschwiegen.

Fußballplatz ist keine Pflichtaufgabe

Zu der Absicht der Stadtverordneten, dies alles zu verantstalten, nur um dem Sportverein zu seinem gewünschten Fußballplatz zu verhelfen, sagt die HGO in § 109(1): "Die Stadt darf Vermögensgegenstände veräußern, die sie zu Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit nicht braucht", z.B. weil sie infolge des technischen Fortschritts nicht mehr geeignet sind, ihren Zweck zu erfüllen. Die Tatsache, dass der schneidhainer Sportplatz keinen Kunstrasen hat, erfüllt diese Voraussetzung nicht. Nach der HGO müssste es in Schneidhain eigentlich überhaupt keinen Fußballplatz geben, denn zu den Pflichtaufgaben einer Gemeinde gehört zwar die Bereitstellung z.B. eines Friedhofs, nicht aber die eines Sportplatzes. Die Einwohner einer Gemeinde, ganz besonders einer solchen mit "defizitärer Haushaltswirtschaft" , haben keinen Anspruch auf ein bestimmtes, großzügiges Leistungsangebot. Ebenso wenig hat die Gemeinde einen Anspruch auf staatliche Zuwendungen für solche Zwecke.

HGO verlangt entsprechende Gegenleistung

Wenn trotzdem "bestimmten Personen oder Personenkreisen durch eine besondere Leistung der Gemeinde ein Vorteil erwächst" sollen diese aufgrund des § 93 HGO die "ensprechende Gegenleistung erbringen", das heißt kostendeckende Benutzungsgebühren zahlen. Eventuell lassen "soziale Erwägungen" eine Reduzierung dieser Gebühren zu, doch liefert ein angeblich zu kleines Vereinsheim und ein Fußballplatz ohne Teppichboden keine solche Begründung.

Ensemble öffentlicher Einrichtungen würde aufgebrochen

Für den Fußballplatz des Sportvereins soll jedoch nicht nur städtisches Geld investiert, sondern auch in Schneidhain ein außerordentlich günstiges Ensemble von neun (!) nebeneinander liegenden öffentlichen Einrichtungen aufgebrochen werden. Es sind dies: Schule, Mehrzweckhalle, Kindergarten, Festwiese, evangelisches Gemeindehaus, Rollschuhbahn, Kinderspielplatz, "Bolzplatz" und Sportplatz. Für eine neue Rollschuhbahn soll die Festwiese verkleinert werden, für den Kinderspielplatz hat man sogar schon das Dach des Supermarkts in Erwägung gezogen. Der "Bolzplatz" könnte vielleicht bleiben, der Sportplatz läge jenseits der B 455 neben dem Werksgelände der Firma Seeger. Zum Sportunterricht müssten dann die Schüler dorhin gehen.

Schuldenabbau geht vor

Der ursprüngliche Absicht des Bürgermeisters, den schneidhainer Sportplatz zu verkaufen, dürfte nach der HGO nur dahin gehen, dass er als Kämmerer in Anbetracht der hohen Verschuldung der Gemeinde den Schneidhainern die freiwillige städtische Leistung "Sportplatz" entziehen würde, um die Verschuldung zu senken und Kosten zu sparen.

Spielplatzverkauf ist nicht zu rechtfertigen

Dagegen wäre es keinesfalls zu rechtfertigen, den Kinderspielplatz in irgendeinen Zwickel der neuen Bebauung zu verschieben und für die Rollschuhbahn einen Teil der Festwiese in Anspruch zu nehmen, nur um die ursprünglichen Standorte als "in absehbarer Zeit nicht gebrauchte Grundstücke" verkaufen zu können. Denn diese Flächen dienen seit Jahrzehnten und auch in Zukunft der gesamten Bevölkerung. Zudem gehört der Verkaufserlös von Grundstücken nach den Erläuterungen zu § 93 HGO stets zu den "allgemeinen Deckungsmitteln", die "nicht einem bestimmten Personenkreis, sondern der Allgemeinheit" zugute kommen müssen.

Supermarkt und Sportplatz sind vereinbar

Die von den privaten Sportvereinen stets ins Feld geführte soziale Funktion, "die Jugendlichen von der Straße zu holen" ist verdienstvoll, aber sie hängt nicht vom Vorhandensein eines normgerechten Spielfelds ab. Wenn von dem Sportplatzgelände nur der Platz für den Supermarkt abgetrennt wird, verbleibt noch so viel übrig, dass darauf Schulsport stattfinden kann und Jugendliche Fußball üben können. Außerdem haben wir in Königstein zwei bestens ausgerüstete Sportplätze in der Nähe des Kreisels, die bei Bedarf selbstverständlich auch dem Schneidhainer Sportverein offen stehen.

Fußball-Euphorie kommt teuer

Schon vor Jahren, als die Brasilianische Fußball-Nationalmannschaft eine zeitlang in einem Königsteiner Nobelhotel untergebracht war, haben unsere Stadtverordneten ihre kollektive Fußball-Euphorie mit einer parteiübergreifenden politischen Willensbildung verwechselt und sich dazu hinreißen lassen, mehrere hunderttausend städtische Euro für diverse Verbrüderungsversuche zwischen den brasilianischen und den königsteiner Fußballern auszugeben. Das Ergebnis dieses Aufwands war gleich null, denn die Brasilianer waren beruflich hier und dachten nicht im Traum daran, ihre knappe Zeit für die Herstellung persönlicher Beziehungen zu der am Ort ihres Hotels wohnenden Bevölkerung zu verwenden.

Gemeindevertreter sind der HGO verpflichtet

Wenn die Stadtverordneten nun einen Millionenbetrag ausgeben wollen, um die FußballWünsche eines Vereins zu erfüllen, dann sollten sie trotz ihrer akuten Fußball-Begeisterung daran denken, dass sie als Gemeindvertreter nicht der FIFA sondern der HGO verpflichtet sind.

Richard Grimm, Juli 2010

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