Haus der Begegnung - Jetzt oder nie

Die Königsteiner Stadtverordnetenversammlung hat am 19. November 2009 die Sanierung des Hauses der Begegnung beschlossen und dafür einen Sperrvermerk im Haushalt für die Baukosten aufgehoben.

Haus der Begegnung

Die 18 Stadtverordneten von ALK, SPD und Grünen stimmten dafür, während sechs Abgeordnete der CDU und vier der FDP dagegen votierten. Aus der CDU kamen sieben Enthaltungen, aus der FDP eine Enthaltung. Die Enthaltungen aus der CDU machten den HdB-Beschluss erst möglich, da die HdB-Befürworter von ALK, SPD und Grüne nicht die absolute Mehrheit von 19 Stimmen haben. Mit sieben Stadtverordneten enthielt sich bei der CDU exakt die Hälfte der Fraktion. Sie folgte damit nicht der Position ihres seit drei Jahren amtierenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Philipp Wiesehöfer. Dieser zog daraufhin die Konsequenz und legte am Tag nach seiner Abstimmungsniederlage sein Amt nieder.

Nachfolgend dokumentieren wir die Rede der ALK-Fraktionsvorsitzenden Hedwig Schlachter, die am 19.11.2009 die Debatte der Königsteiner Stadtverordnetenversammlung eröffnete. Bis auf eine Ausnahme aus Reihen der CDU war die Auseinandersetzung im Stadtparlament von großer Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung der jeweils anderen Position geprägt. (20.11.2009)




Rede der ALK-Fraktionsvorsitzenden Hedwig Schlachter

Die ALK ist nicht gerade als Verfechter von Bürgerhäusern bekannt. 1999, als CDU und SPD das Projekt ALDI und Stadthalle auf dem Minigolfgelände vehement vorangetrieben haben, war die ALK dagegen, weil die Berechnungen der Bau- und Betriebskosten illusorisch erschienen.

BM Fricke hat dann quasi als eine seiner ersten Handlungen dieses Projekt gestoppt. Das war auch gut so. Das HdB war bei diesen Plänen nie wirklich eine Option. Es wurden von der Stadtverwaltung Berechnungen vorgelegt, wonach eine Renovierung angeblich viel teurer wäre als der überdimensionierte multifunktionale Neubau.

Jetzt, 10 Jahre später. hat sich die Situation gewandelt: Wir haben ein Bürgerbegehren, in dem sich die Bürger für den Erhalt des Hauses einsetzen, wir haben einen Beschluss der StVV, der diesem Begehren stattgibt und wir haben in BM Helm einen Bürgermeister, der die Sanierung mit viel Geschick und Professionalität auf den Weg gebracht hat.

Neue Situationen aber verlangen es, dass auch die politisch Verantwortlichen ihre Haltung überdenken. Es ist kein Zeichen von Schwäche oder Einknicken, wenn die Einschätzung von Sachverhalten sich unter veränderten Umständen ändert; im Gegenteil, es wäre unklug und stur, an einmal eingenommenen Positionen festzuhalten, auch wenn sich die Voraussetzungen geändert haben.

So war die ALK auch nicht aus Prinzip gegen eine Stadthalle für Königstein. Nur das damalige Minigolfprojekt passte weder städtebaulich noch wirtschaftlich in die Zeit. Das ist heute anders.

Wir haben nun aufgrund der Förderprogramme die einmalige Chance, das Haus zu erhalten, energietechnisch auf den neuesten Stand zu bringen und eine Stadthalle mit Vereinsräumen zu erhalten. Wenn wir diese Chance heute Abend nicht ergreifen, ist das Projekt „Stadthalle“ für die nächsten Jahre gestorben. Das wissen Sie auch. Und ich bitte Sie, dies bei Ihrem anschließenden Abstimmungsverhalten zu berücksichtigen. Eine abgespeckte Version auf dem Gelände des HdB macht wenig Sinn. Die Kosten werden ähnlich hoch sein, wir haben dann eine wenig attraktive 08/15 Stadthalle. Hierfür wird sich keine Mehrheit finden. Ein anderer Standort ist auch nicht erkennbar. Die KAA scheidet schon aus städtebaulichen Gründen aus. Also wäre die Konsequenz, dass das HdB weiter vor sich hingammelt, weil niemand weiß, wie es weiter gehen soll. Das wäre sicher kein Ruhmesblatt für die Stadt, das würde auch außerhalb von Königstein sicher niemand verstehen.

Wir haben also heute Abend eine sehr wichtige Entscheidung für Königstein zu treffen.

Die Für- und Wider-Argumente wurden im Verlaufe des Prozesses ausführlich dargelegt. Ich will versuchen, die Haltung der ALK anhand von 4 Hauptpunkten darzustellen. Diese waren:
Bestand/Standort/Geschichte
Das Projekt als solches
Bedeutung für Königstein
Kosten/Wirtschaftlichkeit

Bestand/Standort/Geschichte

Ein ganz wichtiger Faktor für den Erhalt des Hauses ist der, dass es nun einmal seit 54 Jahren dort steht. Der Standort ist bekannt und ideal für alle Stadteile Königsteins. Es bildet mit der BNS, der neuen bilingualen Grundschule und dem Sunrise ein ideales Bildungs- und Kulturviertel, bei dem diese Einrichtungen voneinander profitieren können.

Das HdB ist ein anschauliches Beispiel für die Architektur der 50iger Jahre. Als solches wurde ihm sogar Denkmalschutz zuerkannt.

Nun mag man diese Architektur mögen oder nicht. Tatsache ist jedoch, dass das Haus für die Geschichte von Königstein eine große Bedeutung hat. Wir haben nicht nur die Verpflichtung, die Burg, das Luxemburgische Schloß oder das Kurhaus in Ehren zu halten, auch dem HdB kommt eine erhebliche Bedeutung für die jüngere Geschichte Königsteins zu. Herr Flugel hat dies in seinem gestrigen Leserbrief noch einmal deutlich gemacht.

Nach dem 2. Weltkrieg kamen 16 Millionen Heimatvertriebene und Flüchtlinge in die BRD. Hiervon waren 8 Millionen Katholiken. Diese brachten in der damaligen wirtschaftlich nicht gerade rosigen Zeiten so viele Spenden auf, dass u.a. dieses Haus errichtet werden konnte. Darüber hinaus wurde unter Bischof Kindermann die ehemalige Kaserne gekauft. Es wurden die Königsteiner Anstalten, das Priesterseminar und die Schule Albertus-Magnus-Kolleg gegründet. Mit diesen Institutionen wurde Königstein weltweit bekannt. Die zahlreichen Tagungen, Veranstaltungen und internationalen Begegnungen, die in den 60iger Jahren hier stattfanden, sind von großer Bedeutung, nicht nur für die katholische Kirche.

1968 fand im HdB die deutsche Bischofskonferenz statt, die sich mit der Enzyklika von Papst Paul VI „Humanae vitae“ zur Geburtenkontrolle befasste. Die so genannte „Königsteiner Erklärung ist in die Theologiegeschichte eingegangen.

Dies alles gilt es zu bedenken, wenn über die Zukunft dieses Hauses entschieden wird.

Auch anderenorts haben sich Bürger Gedanken über die Bewahrung oder den Wiederaufbau von prägenden und geschichtlich bedeutsamen Bauwerken gemacht.

So sind wir letztlich alle froh, dass die Frankfurter nach dem Krieg die Alte Oper wieder aufgebaut und nicht in Luft gesprengt haben, wie dies gefordert worden war. Auch der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden wird trotz immenser Kosten allseits begrüßt.

Sicher hat das HdB nicht die Bedeutung dieser Bauwerke. Aber es verkörpert einen sehr wichtigen Teil der Königsteiner und der deutschen Nachkriegsgeschichte. Es wäre verantwortungslos, dieses sang- und klanglos der Abrissbirne zu überlassen.

Das Projekt als solches

Am vergangenen Mittwoch wurde im Bauauschuss der letzte Stand der Planungen vorgestellt. Es war eine professionelle und sehr gut vorbereitete und erarbeitete Planung. Dies wurde nach meinem Eindruck auch von allen Anwesenden so empfunden. In meiner gesamten Zeit als Stadtverordnete in Königstein habe ich bisher noch nie eine so gute und durchdachte Planung erlebt. Auch dies hat dazu beigetragen, dass wir in der ALK uns zur Befürwortung des Projekts entschlossen haben.

Das Haus wird sich in neuem Glanz, aber nicht protzig präsentieren. Der Charakter bleibt erhalten, der große Saal, die Decke, die Empore, der Steinfußboden im Foyer. Die Sanierung wird behutsam erfolgen. Sehr schön finde ich, dass die Glasfassade bleibt, denn diese wird zum einen von weitem sichtbar sein, zum anderen den Saal sehr angenehm hell machen.

Im Erdgeschoss wird es Räume für Vereine geben, die es bei den früheren Stadthallenentwürfen nicht gab. Über deren konkrete Nutzung muss nicht hier und heute entschieden werden. Dies kann im Einzelnen zu einem späteren Zeitpunkt geschehen.

Das besondere an dem Projekt aber ist, dass es Beispiel einer vorbildlichen, energiesparenden Sanierung sein wird. Hier haben die Planer und Architekten sich wirklich ins Zeug gelegt und viel Herzblut und Engagement in das Projekt gesteckt. Das wurde bei der Präsentation erneut deutlich. Die Arbeit war auch nicht umsonst. Schließlich wurden wir mit diesem Projekt nicht nur in das Programm der 50 in Deutschland zu fördernden Projekte aufgenommen und haben vergünstigte Kredite erhalten, sondern wir haben auch noch einen Preis, den so genannten „Green building“ award für dieses Konzept erhalten. D.h., das HdB wird durch die Sanierung auch in dieser Hinsicht aufgewertet und erhält Vorbildcharakter.

Peinlich wäre es allerdings, wenn wir der Jury mitteilen müssten, dass wir uns zwar über den Preis freuen, dass das Projekt letztlich aber nicht realisiert werden kann, weil die Stadtverordnetenversammlung es abgelehnt hat.

Wird jedoch heute der Beschluss gefasst, werden wir in Königstein nicht nur ein geschichtsträchtiges Gebäude erhalten, wir würden zudem noch eine energietechnisch vorbildlich renovierte Stadthalle nebst Vereinsräumen haben. Wir hätten dann eine weitere Attraktion in unserer Stadt, die deren Wohnwert verbessern wird.

Auch diesen Aspekt sollten Sie bei Ihrer Abstimmung berücksichtigen.

Bedeutung für Königstein / Nutzen

Insbesondere die CDU wendet immer wieder ein, das HdB sei zu groß und würde gar nicht gebraucht, weil die Königsteiner das Angebot gar nicht nutzen würden.

Herr Dr. Wiesehöfer, ich habe Ihren diesbezüglichen Ausführungen in der letzten Ausschusssitzung aufmerksam zugehört. Sie sagten sinngemäß, dass Sie das HdB aus langjähriger beruflicher Erfahrung gut kennen. Es sei aber als Bürgerhaus ungeeignet, weil es viel zu groß wäre. Weiter hätten Sie bemerkt, dass die Königsteiner auch nicht in ausreichender Zahl zu den Schlosskonzerten im Luxemburger Schloss gekommen seien, auch den Hofball des Burgvereins hätten Sie damals als Präsident mangels Interesse absagen müssen, auch bei den Fastnachtsveranstaltungen blieben die Besucher weg. Das mag wohl so stimmen, ich möchte es auch gar nicht anzweifeln.

Jedoch spricht für mich aus Ihren Äußerungen eine gewisse Verbitterung, wenn Sie aus diesen für Sie sicher leidvollen Erfahrungen sich nunmehr der Sanierung des HdB verschließen wollen. Das klingt so, als hätten die Königsteiner diese Halle nicht verdient, weil sie in der Vergangenheit das kulturelle Angebot nicht in ausreichendem Maße genutzt hätten.

Hierbei wird jedoch vergessen, dass sich nicht nur die Zeiten ändern, sondern auch die Veranstaltungen und die Menschen, die sie besuchen. Das sanierte HdB wird eine ganz andere Ausstrahlung haben als das HdB, das Sie und wir alle kennen.

Es werden dort auch andere Veranstaltungen stattfinden können, als das bisher der Fall war. Dies hat die Präsentation der Firma Sinn am vergangenen Mittwoch eindrucksvoll bewiesen. Zu Recht wurde hier darauf eingegangen, dass das Publikum anspruchsvoller geworden ist und die Veranstaltungsorte ein Alleinstellungsmerkmal, d.h., einen besonderen Charakter aufweisen müssen. Diese Voraussetzung ist bei dem sanierten HdB mit all seinen bereits geschilderten Vorzügen gegeben. Dies wäre bei einer 08/15 Stadthalle sicher nicht der Fall.

Ein weiterer Vorzug der Sanierung ist, dass diese im Erdgeschoss des Hauses den Vereinen Nutzungsmöglichkeiten bietet. Da hierbei selbstverständlich nicht alle Königsteiner Vereine in gleicher Weise berücksichtigt werden können, ist dieses Nutzungskonzept im Einzelnen noch festzulegen. Im jetzigen Stadium ist erst einmal der Grundsatzbeschluss zu fassen. Sicher ist jedoch, dass es Nutzungsmöglichkeiten gute für die Vereine geben wird.

Ein weitere Aspekt ist, dass das sanierte HdB nicht nur durch die Aufnahme in das Förderprogramm der 50 Gebäude in Deutschland und nunmehr den angekündigten „Green Building Award" über die Grenzen Königsteins hinaus Bekanntheit erlangen wird.

Das sanierte HdB wird künftig ein weitere Pluspunkt für Königstein als Wohnort sein, ebenso wie die geografische Lage, der Luftkurort und die guten Schulen.

Wirtschaftlichkeit / Kosten

Kommen wir nun zu dem Punkt, der von den Gegnern der Sanierung stets als wichtigster Ablehnungsgrund angeführt wird: Die Kosten.

Dazu kann ich nur sagen, Sie haben recht. Das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt, der auch uns sehr besorgt, und den wir gewiss nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es wird eingewendet, dass in Zeiten, in denen der Haushalt ein Defizit von 5 Millionen aufweist, keine Stadthalle saniert werden könnte. Dieses Argument ist natürlich nicht von der Hand zu weisen.

Ich hatte jedoch bereits darauf hingewiesen, dass es sich hier um ein besonderes Projekt handelt, bei dem wir durch glückliche Umstände jetzt und nur jetzt die Möglichkeit haben, es zu erhalten. Hier muss nach meiner Meinung die Abwägung ergeben, dass wir diese Gelegenheit einfach nicht ungenutzt verstreichen lassen dürfen.

Die Planer haben hier eine valide Kostenschätzung vorgelegt, die sogar von einer zweiten Firma gegengeprüft wurde. Wir gehen daher davon aus, dass der Kostenrahmen eingehalten werden wird. Allerdings wissen auch wir, dass es bei solchen Projekten immer zu unvorhergesehenen Überraschungen kommen kann. Diese können allerdings bei keinem Projekt, und sei es noch so solide geplant, völlig ausgeschlossen werden. Hier jedoch wurden die Unterhaltungskosten sehr konservativ angesetzt. Es wurden zunächst überhaupt keine Einnahmen durch die Vereine eingestellt.

Bei dem Aufwand hingegen sind die Abschreibungen eingerechnet, und es entsteht im ersten Jahr ein Zuschussbedarf von ca. 190.000 Euro und im zweiten von ca. 100.000 Euro. Dies sind Beträge, die uns ein saniertes HdB allemal wert sein sollte, auch wenn die Haushaltslage so ist, wie sie ist. Selbst wenn die Einnahmen schlechter ausfallen würden, würde sich der Zuschussbedarf noch in vernünftigen Grenzen halten. Jedenfalls immer noch günstiger als das Kurbad, das die Stadt jährlich bis zu einer Million Euro an Zuschüssen kostet.

Gleichwohl sind wir uns des Risikos bewusst und würden es begrüßen, wenn noch einmal ein Konzept erarbeite würde, wonach die Bürger dieses Projekt finanziell unterstützen können. Leider hat der von BM Helm angedachte Bürgerfonds sich nicht in dieser Form realisieren lassen. Es gibt aber mit Sicherheit noch andere Möglichkeiten, wie die Bürger das Haus unterstützen können, und das werden sie auch tun, wenn sie sehen, wie es sich entwickelt. Es ist auch nicht zu spät für ein solches Konzept, dies kann auch während der Bauphase erarbeitet und vorgestellt werden.

Nach alledem möchte ich vor allem an die Stadtverordneten von CDU und FDP, die die Vorlage in den Ausschüssen abgelehnt haben, appellieren, bei dieser wichtigen Frage wirklich ihrem Gewissen zufolgen und nicht irgendeiner vermeintlichen Parteidisziplin. Ein imperatives Mandant kennt unsere Rechtsordnung ohnehin nicht. Gleichwohl gibt es in jedem Parlament Fragen, die von so übergeordneter Bedeutung sind, dass jeglicher Fraktionszwang aufgehoben wird. Die Frage HdB ja oder nein ist eine der wichtigsten, die in dieser Stadt auch für die nächsten Jahre zu entscheiden ist. Es sollten daher nicht die Parteien entscheiden sondern jeder einzelne Stadtverordnete nach seinem Gewissen.


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