Ölmühlweg - Bilanz einer Durststrecke

Die geplante Vollsperrung des Ölmühlwegs hatte Hunderte von Königsteinern erzürnt. Eine seit den Tagen der Bürgerinitiative "Rettet den Bangert" in Königstein nicht mehr erlebte Bürgerbewegung entstand. Mit einem Leserbrief in der Königsteiner Woche hatte Ölmühlweg-Anwohner (und ALK-Stadtverordneter) Robert Rohr den Anstoß zur Bildung der "Interessengemeinschaft Baustelle Ölmühlweg" gegeben. Er zieht eine Bilanz:

"Die Arbeiten am letzten Bauabschnitt zwischen Rombergweg und Ölmühlweg werden durch den Anliegerverkehr erheblich behindert." So stand es noch am vergangenen Donnerstag in einer Mitteilung des Königsteiner Magistrats in der KöWo. Und in dieser Formulierung kommt genau jene Einstellung von Behörden gegenüber den Anwohnern zum Ausdruck, die auch vor eineinhalb Jahren Pate stand für die Absicht, den Ölmühlweg wegen Straßenerneuerung komplett zu sperren. Die betroffenen Anwohner hätten dann für jede Fahrt in die Innenstadt, ob zur Schule, zum Kindergarten, zum Einkaufen oder zum Rathaus, Umwege von rund 15 Kilometern über Fischbach oder Schloßborn in Kauf nehmen müssen.

Begonnen hatten die Bauarbeiten im unteren Ölmühlweg Ende Juli 2001. Sie begannen zögernd und gingen auch so weiter. Als Grund nannten die Behörden einen sehr harten Fels und die Gasleitung. Die Anwohner sahen eher eine schlechte Organisation, unzureichende Planungen und mangelnde Vorarbeiten sowie einen zu geringen Personaleinsatz und ungeeignete Maschinen.

Selbstverständlich können Bauarbeiten zügiger ausgeführt werden, wenn sie nicht von Anwohnern und ihren Autos gestört werden. Aber hätte der Nutzen für die Straßenbauer in einem akzeptablen Verhältnis zu den erheblichen Belastungen für mehrere hundert Anwohner gestanden? Wohl nein. Offensichtlich hatten sich seinerzeit die zuständigen Behörden recht wenige Gedanken um die Anwohner gemacht. Denn die städtische Pressemitteilung, die am 18. Oktober 2001 in die KöWo abgedruckt war, widmete sich schwerpunktmäßig der Umleitung von Buslinien, die durch die Vollsperrung des Ölmühlweges erforderlich würde. Eher nebenbei wurde eine Vollsperrung der Straße angekündigt, die nur vier Tage später, am 22. Oktober, in Kraft treten sollte. Ein unmöglicher Umgang mit den Bürgern, einen derart gravierenden Eingriff in die Lebensqualität nur ein wenige Tage vorher mitzuteilen.

Dank frühzeitiger Kenntnis der städtischen Pressemitteilung aus dem Internet erschien ein Protest-Leserbrief zeitgleich in den Zeitungen. Darin wurde nicht über die Umleitung von Buslinien sondern Klartext gesprochen: "Es ist unfassbar, dass nach monatelangem Stillstand auf der Baustelle nun ein erheblicher Teil von Königstein stillgelegt, bzw. von der Stadt abgehängt werden soll." Daraufhin brach eine Protestflut von Telefonanrufen über die Stadtverwaltung herein. Eilends wurde den Anwohnern gestattet, über den Bangertweg zu fahren, durch jenes beliebte Naherholungsgebiet, das eine Bürgerbewegung in den siebziger Jahren vor einer Bebauung gerettet hatte.

Es sah jedoch so aus, als ob dieser (Aus-)Weg nur für den ersten der fünf Bauabschnitte zur Verfügung stehen würde. Eine Gruppe von acht Anwohnern verteilte deshalb ein Flugblatt und lud zu einer Anwohnerversammlung am 30. Oktober ein. Über 150 Betroffene erschienen zu diesem Treffen. Der Adelheidsaal, in dem auch die erfolgreiche Bürgerinitiative „Rettet den Bangert“ gegründet worden war, platzte fast aus den Nähten. Es wurde deutlich, dass im Ölmühlweg und seinen Nebenstraßen wie Grüner Weg und Rombergweg inzwischen sehr viele Menschen wohnen. Der Volkszorn entlud sich über den nicht anwesenden Verantwortlichen von Stadt und Straßenbauamt. Dass diese fehlten, war vielleicht ganz gut. Denn wer weiß, was sie sonst alles von den empörten Bürgern zu hören bekommen hätten. Konsequenz des Abends: Es wurde die "Interessengemeinschaft Baustelle Ölmühlweg" gegründet und ein achtköpfiger Sprecherkreis gewählt. Außerdem wurde ein Forderungskatalog verabschiedet. Deren wichtigste: Keine Vollsperrung des Ölmühlwegs und eine Winterpause für die Bauarbeiten. Denn offensichtlich hatte sich mancher in der Rhein-Main-Ebene wohnende Straßenplaner nicht vorstellen können, wie die winterlichen Straßenverhältnisse in dem 400 Meter hoch gelegenen Königstein sein können.

Der Sprecherkreis entfaltete eine Vielzahl von Aktivitäten: Eine eigene Internetseite wurde eingerichtet, zahlreiche Gespräche mit den Verantwortlichen geführt, Sachverstand von externen Fachleuten zur Qualität der Bauarbeiten herangezogen. Immer wieder war der Sprecherkreis mit den Aussagen der Behörden konfrontiert, dass aus den verschiedensten Gründen eine Winterpause der Bauarbeiten sowie andere Umleitungsstrecken nicht möglich seien. Noch am 24. November 2001 stand in der Zeitung: "Bürgermeister Fricke sieht keine Möglichkeit, für eine Öffnung der Baustelle für den Anliegerverkehr beziehungsweise eine größere Winterpause". Das Straßenbauamt bezeichnete eine Winterpause wegen zusätzlicher Kosten und Verzögerungen für die Bauarbeiten als nicht sinnvoll.

Diesem "Geht nicht" der Behörden setzten die Bürger immer wieder ihr "Gibt's nicht" entgegen. Und siehe da, alles, was amtlicherseits immer wieder rundweg abgelehnt worden war, ging auf einmal doch: Teils auf Hinweise aus dem Sprecherkreis wurden andere Umfahrungen gefunden. Außerdem war der Ölmühlweg immer einspurig passierbar. Die Interessengemeinschaft erreichte, dass in bestimmten Teilstücken die Baustelle mit Ampelregelung passiert werden konnte - was ursprünglichen vom Straßenbauamt als nicht machbar bezeichnet worden war. Auch die Winterpause war auf einmal möglich. "Keine Sekunde zu früh" schrieb Ende Dezember 2001 eine Anwohnerin in ihrem Leserbrief. "Sie kam gerade rechtzeitig vor dem starken Wintereinbruch am 21. Dezember. Noch am Vortag hatten die Bürger auf dem Bangertweg spiegelglatte Fahrbahnen erleben müssen - und das trotz der Winterdienstankündigungen der Stadt." Wäre die Winterpause nicht eingelegt worden, es hätte an jenem 21. Dezember und an den folgenden Tagen auf dem Bangert und im steilen Speckerhohlweg so mancher Unfall passieren können.

Die Zeit heilt viele Wunden. Während der knapp zweijährigen Bauarbeiten haben sich die Anwohner an Vieles gewöhnt, gewöhnen müssen. Sie haben den milden Spott anderer Königsteiner über ihren "vergessenen Stadtteil" und ihre Bastelle ertragen gelernt. Sie haben über eineinhalb Jahre auf die Busverbindungen zur Innenstadt verzichten müssen. Dies war vor allem für ältere Mitbürger und Schüler ein großes Problem. Die Anwohner haben trainiert, mit Autos Slalom um Baustellenfahrzeuge zu fahren. Viele haben gelernt, wie man Rotphasen kalkuliert und zu welchen Zeiten man eine rote Ampel schon mal ignorieren kann. Fußgänger, vor allem ältere Mitbürger und Mütter mit Kinderwagen, mussten außerordentliche Fertigkeiten entwickeln, um bei fehlenden Bürgersteigen über aufgerissene Holper- und Stolperstrecken zu kommen.

Die Bewohner von Königsteins nördlichem Stadtteil rund um den Ölmühlweg haben aber auch die Bewunderung vieler Mitbürger dafür geerntet, wie sie die Belastungen durch Königsteins langwierigste Baustelle aller Zeiten über sich ergehen ließen. Insbesondere haben die betroffenen Anwohner gemerkt, dass man gemeinsam scheinbar unverrückbare Behördenentscheidungen beeinflussen kann. Zu den vielfältigen Aktionen gehörte sogar ein in der KöWo abgedrucktes Gedicht. Mit diesem verdeutlichte eine Anwohnerin den Verantwortlichen die Problematik der Bauarbeiten und deren schleppenden Fortgang.

Alles in allem hat sich gezeigt, dass Bürger durch geballtes Engagement auch solche Dinge erreichen können, die von Behörden als vermeintlich unmöglich ausgegeben werden. So gelang es den aktiven Bürgern, die einst dahin dümpelnden Bauarbeiten erheblich zu beschleunigen und Winterpausen durchzusetzen. Der größte Erfolg war allerdings, dass die Anwohner nicht, wie ursprünglich geplant, über Fischbach und Schloßborn umgeleitet wurden, sondern der Bangertweg benutzt werden konnte.

Aus der anfänglichen Distanz zur Baufirma wurde im Lauf der Zeit ein gutes Verhältnis. Nach vielen Verzögerungen wurden die Arbeiten zügig erledigt. Besonders erwähnenswert ist die Freundlichkeit der Bauarbeiter: Diese bemühten sich trotz der auch für sie schwierigen Bedingungen sehr darum, den Anwohnern das Befahren der Baustreckenabschnitte zu erleichtern.

Auch wenn sich viele nach den fast zwei Jahre währenden Bauarbeiten fast an den Zustand gewöhnt haben, weil die Zeit viele Wunden heilt, so werden viele doch drei Kreuze schlagen, wenn endlich der letzte Bagger abgezogen ist. Mal sehen, wie stark der Verkehr zunimmt, wenn der gut ausgebaute Ölmühlweg wieder für die Bewohner von Ruppertshain, Eppenhain, Schloßborn, aber auch für den Schleichverkehr offen ist. Mal sehen, ob die gut ausgebaute Straße zu einer Rennstrecke wird, oder ob sich die Autofahrer an das vorgeschriebene Tempo 30 halten. (4.4.2003)

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